INSTITUT FÜR PHARMAKOLOGIE UND TOXIKOLOGIE

Historie

Am 1. September 1954 wurde in Magdeburg die Medizinische Akademie gegründet. Es gab damals noch kein Pharmakologisches Institut. Bis zur Fertigstellung des Pharmakologischen Instituts im Jahre 1956 und bis zur Berufung des neuen Direktors (1957) wurden die Lehrveranstaltungen in Pharmakologie von Fritz Hausschild (Ordinarius in Leipzig) wahrgenommen, der sich der großen Anstrengung unterzog, zu den Vorlesungen jeweils von Leipzig anzureisen. Das von Fritz Hausschild geplante neue Gebäude wurde an ein Jugendstilgebäude, die ehemalige Villa der Chefärzte des Sudenburger Krankenhauses angebaut. Der Pharmakologie standen neben dem neuen Anbau auch Räume im Altbau zur Verfügung, in dem später auch Teile des Instituts für Physiologie (Direktor: W. Kalkoff) aufgenommen wurden.

1957 wurde Dozent Hansjürgen Matthies von Berlin nach Magdeburg berufen und zum Direktor des neue errichteten Instituts ernannt. H. Matthies hatte sich bei Fritz Jung an der Humboldt-Universität über ein Thema zur Rückbildung von Hämoglobin im Stoffwechsel der Erythrozyten habilitiert. Auch erste neuropharmakologische Arbeiten wurden bereits in Berlin durchgeführt, die den Ausgangspunkt für die spätere Profilierung des Magdeburger Instituts bilden sollten.

Die initiale Ausstattung des Instituts (ein Wissenschaftler, 4 technische Mitarbeiter) wurde in den folgenden Jahren durch Rekrutierung neuer Mitarbeiter wesentlich erweitert. Besondere Aufmerksamkeit galt dem Aufbau einer leistungsfähigen Werkstätte, einer Bibliothek und einer ausreichenden Tierstallkapazität.

1959 wurde die Forschungsthematik durch Bildung einer Abteilung für Herzpharmakologie erweitert, deren Leitung von Werner Förster übernommen wurde. Er habilitierte sich 1961 als erster Habilitant des Instituts mit einer Arbeit über Herzglygoside. 1966 wurde W. Förster auf den Lehrstuhl für Pharmakologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg berufen. Zu dieser Zeit erfolgte die offizielle Umbenennung des Pharmakologischen Instituts in "Institut für Pharmakologie und Toxikologie".

Nach der Einstellung der Herzpharmakologie in Magdeburg standen im wesentlichen neuropharmakologische Fragestellungen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses, die in einem multidisziplinären Ansatz mit biochemischen, radiochemischen verhaltenspharmakologischen und elektrophysiologischen Methoden bearbeitet wurden. Zunächst wurden Arbeiten über die Wechselwirkungen von Neurotransmittern durchgeführt, ihnen folgten in der Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie umfangreiche Untersuchungen über die Wirkungsweise und die Nebenwirkungen antidepressiver Monoaminoxydase-Hemmer. Schließlich entwickelte sich das wesentliche Arbeitsgebiet der folgenden zwei Jahrzehnte: Neurobiologische Grundlagen von Lernvorgängen und der Gedächtnisbildung. Neben verhaltenspharmakologischen Untersuchungen wurde die Analyse der Mechanismen der Gedächtnisbildung durch biochemische und elektrophysiologische Untersuchungen durchgeführt. Experimente zur Abhängigkeit der Langzeitpotenzierung von der Proteinsynthese führten zur Dreiphasentheorie der Langzeitpotenzierung, die international Anerkennung fand.

1965 wurde ein toxikologischer Beratungsdienst eingerichtet, der bei Vergiftungsfällen rund um die Uhr Therapieempfehlungen für behandelnde Ärzte gab.

1967 konnten sich drei Abteilungsleiter, Joachim Schmidt, Nikolai Popov und Horst Liebmann, habilitieren.

1967 veranstaltete das Institut das erste Neuropharmakologische Symposium, bei dem auch ausländische Wissenschaftler teilnahmen. 1969 folgte das zweite Neuropharmakologische Symposium. Damit begann eine erfolgreiche Serie von international beachteten Tagungen, die ab dem dritten (1971) in Internationale Neurobiologische Symposien umbenannt wurden, da auf den Tagungen nicht nur neuropharmakologische Fragestellungen behandelt wurden. 1973, 1977, 1980 und 1985 wurden vier weitere Internationale Neurobiologische Symposien vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie organisiert. (Ab 1990 wurden die internationalen Symposien vom Institut für Neurobiologie und Hirnforschung der Akademie der Wissenschaften und dessen Nachfolger dem Leibniz-Institut für Neurobiologie weitergeführt.).

Im Rahmen seiner Forschungsaufgaben über die neuronalen Grundlagen von Lernvorgängen und der Gedächtnisbildung entwickelte das Institut eine enge Zusammenarbeit mit den Arbeitsgruppen von S.P.R. Rose ( Milton Keynes GB ), J.L. McGaugh (Irvine (Ca) USA), W.H.Gispen (Utrecht), P.Anochin (Moskau) und V.Bloch (Paris).

Aufgrund seiner exzellenten und international beachteten Forschungsaktivitäten wurde das Institut für Pharmakologie und Toxikologie eine Leiteinrichtung eines überregionalen Forschungsverbunds zur Untersuchung höherer zentralnervöser Funktionen der Akademie der Wissenschaften in der DDR.

Aufgrund seiner wissenschaftlichen Attraktivität waren im Laufe der Jahre mehr als vierzig Gastwissenschaftler aus der UdSSR, der CSSR, Ungarn, Bulgarien, Cuba, Vietnam, Großbritannien, Frankreich, Japan und Indien längere Zeit am Institut tätig.

1974 habilitierte sich Tillman Ott, der 1984 als ordentlicher Professor an die Humboldt-Universität in Berlin berufen wurde. 1975 wurde Joachim Schmidt als ordentlicher Professor an die damalige Medizinische Akademie Dresden berufen.

1975 habilitierte sich Wulf Pohle, 1979 Bernd Lößner, 1980 Edgar Kammerer, 1984 Manfred Krug und Reinhard Jork, 1987 Wolfram Wetzel, 1989 Gisela Grecksch .

1980 wurde von Hansjürgen Matthies das "Institut für Neurobiologie und Hirnforschung" (INH) der Akademie der Wissenschaften gegründet. Bis zum Einzug in das neue Gebäude im Jahr 1990 wurden die Forschergruppen des INH zum großen Teil in den Räumen des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie untergebracht.

Nach dem Auszug der Mitarbeiter des INH und der Emeritierung von Hansjürgen Matthies 1990 wurde das Institut für Pharmakologie und Toxikologie kommissarisch von Bernd Lößner bis 1992 geleitet. Um sich von der Forschungsrichtung des INH, das sich vornehmlich mit der Thematik von Lernen und Gedächtnis befaßte, zu unterscheiden, wurde im Institut für Pharmakologie und Toxikologie an den Mechanismen von Epilepsie und anderen hirnorganischen Erkrankungen geforscht.

1990 wurde eine deutliche Reduzierung des Personalbestandes erforderlich, die sozial verträglich gestaltet werden musste. In zwei Fällen wurden auch Entlassungen wegen der Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit ausgesprochen.

In dieser Zeit (1992-1994) wurde das Institut kommissarisch von Manfred Krug geleitet, der 1992 zum C3-Professor berufen wurde. Im gleichen Jahr (1992) habilitierte sich Christine Rauca.

Am 3.10.1993 wurde die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg durch Zusammenschluss der Medizinischen Akademie mit der Technischen Universität und der Pädagogischen Hochschule gegründet.

Im April 1994 wurde Volker Höllt als neuer Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie berufen. Er war 10 Jahre wissenschaftlicher Assistent bei Albert Herz am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und Martinsried und hat sich mit einer Arbeit über endogene Opioidpeptide habiliert. 1982 während eines USA-Aufenthalt an der University of California in San Franciso bei John Baxter und Horace Loh lernte er gentechnologische Methoden, die er ab 1983 zur Charakterisierung der Genexpression von Opioidpeptiden einsetzte. 1985 wurde er als C2-Professor Leiter einer Arbeitsgruppe für Neurochemie am Physiologischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München (Direktor: Gerrit ten Bruggencate).

Mit der Übernahme der Institutsleitung durch Volker Höllt erweiterte sich das Arbeitsprofil des Instituts um molekular- und zellbiologische Arbeitsmethoden. Neue Forschungsthemen waren die molekulare Charakterisierung von Peptidrezeptoren, insbesondere der Opiat- und Somatostatinrezeptoren, sowie die Analyse von neuroadaptiven Prozessen, wie Toleranz und Abhängigkeit von Pharmaka, insbesondere der Opiatsucht. Forschungsgegenstände waren: die Regulation der Expression von Neuropeptiden und deren Rezeptoren; sowie die Analyse zellulärer Vorgänge, die zur Internalisierung und Multimerisierung von Rezeptoren führen.

Neben der C4-Stelle des Institutsleiter bestanden zu dieser Zeit am Institut eine C3-Stelle für den Bereich Neuropharmakologie, die Manfred Krug leitete und eine C2-Stelle für die Arbeitsgruppe Verhaltenspharmakologie, die von Frau Hochschuldozentin Gisela Grecksch geführt wurde. Die etablierten Forschungsthemen dieser Arbeitsgruppen wurden weitergeführt; die Charakterisierung von Lern- und Gedächtnisvorgängen, sowie die Analyse von zentralen Erregbarkeitsveränderungen (Langzeitpotenzierung; Kindling). Ebenso wurden die Untersuchungen über neurotoxische Veränderungen nach Hypoxie weitergeführt. Als weitere Forschungsrichtungen kamen hinzu: Die Analyse von neuroadaptiven Prozessen nach fokaler cerebraler Ischämie und die Charakterisierung von Tiermodellen der Schizophrenie.

Seit 1994 wurden erfolgreich Drittmittel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, von der Europäischen Gemeinschaft, vom Land Sachsen-Anhalt und verschiedenen Stiftungen eingeworben. Seit 1997 ist das Institut mit Teilprojekten im Sonderforschungsbereich 426 ("Funktion und Dysfunktion des limbischen Systems") vertreten. Es wurden Kooperationen mit nationalen (Rainer Spanagel, Christoph Stein, Walter Zieglgänsberger) und internationalen Arbeitsgruppen (Horace Loh, Minnesota; Ji-Sheng Han, Peking; Ryszard Przewlocki, Krakau; Javier Garzon, Madrid) angebahnt bzw. vertieft.

1996 wurde die Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Neuropharmakologie und -toxikologie vom Institut organisiert. 1998 erfolgte die Organisation der Jahrestagung der 29. International Narcotic Research Conference.

1997 wurde Wulf Pohle (seit 1994 a.o. Professor) emeritiert. 1977 wurde Gisela Grecksch und 1999 Christine Rauca zu a.o. Professorinnen ernannt.

2000 habilitierte sich Axel Becker mit seinen Arbeiten zur tierexperimentellen Epilepsieforschung.

2001 erfolgte die Emeritierung von Manfred Krug. Die C3-Professur für Neuropharmakologie.

wurde neu ausgeschrieben. Den Ruf erhielt Georg Köhr (Heidelberg), leider wurde die C3-Stelle noch während der Verhandlungen durch Stellenreduktion an der Medizinischen Fakultät gestrichen.

2002 habilitierten sich Stefan Schulz und Peter Mayer mit ihren Arbeiten zur molekularen Charakterisierung von Opioidrezeptoren bzw. der Opiatsucht.

2004 wurde Stefan Schulz Heisenberg-Stipendiat und wurde 2006 zum ersten Heisenberg-Professor nach Würzburg berufen. 2007 folgte er einem Ruf auf den Lehrstuhl für Pharmakologie und Toxikologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

2006 habilitierte sich Susanne Ammon-Treiber; 2007 habilitierten sich Thomas Koch und Ralf Stumm. 2008 wurde Axel Becker zum a.o. Professor ernannt. Weiterhin wurde 2008 Ralf Stumm Leiter einer selbständigen Arbeitsgruppe am Institut (Neuroplastizität), die vom Centrum für Behavioral Brain Sciences (CBBS) finanziert wird. Im Oktober 2009 wechselte er als W2-Professor für Pharmakologie und Toxikologie an die Universität Jena. Von dort aus betreut er die Arbeitsgruppe Magdeburg bis Oktober 2010 weiter.

Seit 1994 wurden die beiden Gebäude des Instituts (Haus 20 und Haus 20 a) in mehreren Teilschritten renoviert. Von 2002 bis 2003 wurde das denkmalgeschützte Gebäude (Haus 20) aufwendig rekonstruiert. Im Jahr 2008 wurde das Tierhaus renoviert.

Letzte Änderung: 14.08.2019 - Ansprechpartner:

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